Domestizierung

Wann genau die Domestizierung des Hundes stattfand ist umstritten, wissenschaftliche Schätzungen variieren und reichen bis zu 100.000 v. Chr.. Wahrscheinlich ist, dass sich dieser Prozess mehrfach und an mehreren Stellen unabhängig vollzog. Die Begleitung bei der Jagd war wahrscheinlich der erste und über lange Zeit der wichtigste Einsatz für Hunde. Um die geringere Geschwindigkeit des Menschen auszugleichen, nutzten die Jäger Hetzhunde. Der damit einhergehende Aggressionsverlust gegenüber dem Menschen gilt dabei als wichtiges Abgrenzungskriterium der frühen Hunde gegenüber dem Wolf.

Mit der Sesshaftwerdung des Menschen werden die Spuren klarer und vielfältige, gemeinsame Gräber von Mensch und Hund zeugen von einer engen Verbundenheit.

Eines der ältesten Fundstücke ist das Doppelgrab von Oberkassel, welches auf ein Alter von circa 14.000 Jahren geschätzt wird. In diesem Grab, entdeckt im Jahr 1914, fand man einen etwa 50 Jahre alten Mannes, eine 20- bis 25-jährige Frau, sowie die Überreste eines Hundes. 1986 schaut sich der Forscher Günter Nobis die, zuerst als Wolf deklarierten und wenig beachteten Knochen des Hundes, erneut an und kam zu sensationellen Ergebnissen:

„Von besonderer Bedeutung sind die im Tiermaterial von Oberkassel früher dem Wolf zugeschriebenen Canidenreste. Der morphologische und metrische Vergleich lehrt, daß die Summe von Domestikationsmerkmalen für einen Haushund spricht. Bei gebotener Vorsicht kann also von einer spätpaläolithischen Haustierwerdung des Wolfes gesprochen werden: Der Haushund von Oberkassel, der vor ungefähr 14 000 Jahren den jagenden Menschen der Cromagnon-Rasse begleitete, ist somit das bisher älteste Haustier der Menschheit.

Das fast zeitgleiche Auftreten erster Haushunde in Zentraleuropa, im Vorderen Ori­ent, in Fernost und in Nordamerika läßt an mehrere voneinander unabhängige Zentren autochthoner Wolfsdomestikationen im Jungpaläolithikum denken.” (1)

Ägypten, Griechenland und Rom

Der älteste literarische Beleg über Hund stammt vom griechischen Dichter Homer (ca 7. bis 8. Jh. v. Chr.): in Odysee erkennt der Hund Argos seinen Herrn Odysseus als erster wieder.

In der frühen Hochkultur Ägyptens wurde der Hund als Gott oder Gottbegleiter dargestellt: Anubis, als ein liegender schwarzer Hund oder als Mensch mit einem Hundekopf.

Sowohl Griechen als Römer zeigen Darstellungen von Hunden z.B.  in Mosaiken, Fresken und Gräbern. Es überwiegt die Darstellung von Jagdhunden. Diesen galt die erste Gebrauchsliteratur, da für eine erfolgreiche jagdliche Nutzung, bei welcher die sorgfältige Ausbildung Grundlage ist.

Die wohl älteste bildliche Darstellung eines Hundes, der einen Blinden  begleitet, befindet sich auf einem Fresko aus Pompeji. (2)

Fresko: Auf der linken Seite, schwer erkennbar, ein Blinder mit einem kleinen Hund an der Leine. Auf der linken Seiten stehen, ihm zugewandt, zwei Menschen.
Darstellung einer Marktszene aus Pompeji.

6. Jh.: Saint Hervé

Der Blinde Heilige Saint Hervé lebte und wirkte im 6. Jh.  in der Bretagne (Frankreich). Mehrere Legenden ranken sich um den Wolf, welchen Hervé mit sich führte.

Eine lautet, dass sein Hund von einem Wolf gefressen worden sei, woraufhin der Heilige den Wolf zwang, den Hund zu ersetzen.

Eine andere, lokale Tradition berichtet, dass ein Wolf den Esel verschlang, mit dem Hervé pflügte. Er kniete sich nieder, um zu beten, und auf seinen Befehl hin kam der Wolf spanne sich an den Pflug.

Saint Hervé wird daher sowohl mit einem Wolf als auch einem Hund an der Leine dargestellt.

Statue aus dem 16. Jhd. des Saint Hervé mit Hund. Interieur der Pfarrkirche Saint-Hervé in Lanhouarneau (Frankreich).
Statue aus dem 16. Jhd. des Saint Hervé mit Hund. Interieur der Pfarrkirche Saint-Hervé in Lanhouarneau (Frankreich).
Darstellung, wahrscheinlich aus dem Beginn des 19. Jhd., des Heiligen Saint Hervé in einer Skulpturengruppe mit seinem Wolf.
Darstellung, circa vom Beginn des 19. Jh., des Heiligen in einer Skulpturengruppe mit seinem Wolf.

1230 bis 1234: Chr. Rechtsprechung

Unter Papst Gregor IX. wurde von 1230 bis 1234 eine Rechtssammlung, die Liber Extra, neu zusammengefasst. Diese war das Fundament für das kanonische Recht der nächsten 700 Jahre. Begleitet wurden die Texte von Illustrationen: ein Artefakt zeigt einen blinden Bettler, der von einem Hund geführt wird. (3)

Seitenansicht eines blinden Bettlers mit Stock, geführt von einem Hund.
Illustration aus der Liber Extra. © British Library Board

1348 bis 1350: Buch der Natur

Konrad von Megenberg fasst in seinem Buch „Das Buch der Natur“ das bekannte naturkundliche Wissen seiner Zeit zusammen. Über den Hund ist er voll des Lobes: Unter allen unvernünftigen Tieren kenne nur der Hund seinen Namen und habe seinen Herren so lieb, dass er sogar für ihn in den Tod gehe. (4)

1464 bis 1506: Strassburger Bettelordnung

Einen weiteren Hinweis, dass sich die Verwendung von Hunden als Begleitung von Blinden verstetigt hat, findet sich in der Straßburger Bettelordnung aus den Jahren 1464 bis 1506. Hier heisst es:

„Es soll ouch hinnanfiir kein betteier keinen hunt meh haben oder ziehen, es wer dann ein blind, der sin notturftig were hab.“

Was übersetzt auf heutiges Deutsch soviel bedeutet wie: Es soll in Zukunft kein Bettler einen Hund haben oder aufziehen, es sei denn, er wäre blind und brauche ihn. (5)

Die Bronzemünze zeigt einen Blinden Mann mit Stab und Wasserflasche, der von einem Hund geführt wird.
Münze aus Mailand um 1561. © Sammlung Samuel H. Kress

1780: Hôpital des Quinze-Vingts für Blinde

Innovation kommt aus Frankreich: Im Hôpital des Quinze-Vingts für Blinde in Paris begann man, wahrscheinlich im Zeitraum 1750 bis 1780, die ersten systematischen Versuche unternommen, Blinde mit Hunden zu versorgen.

1813 Georg Joseph Beer berichtet über Joseph Reisinger

Hinweise darauf finden sich zuerst beim Wiener Augenarzt Georg Joseph Beer in seiner Abhandlung über das Auge aus dem Jahre 1813. Unter dem Titel: „Leidensgeschichte des blinden Mannes, dem sein Hund als Führer dient“ beschreibt Beer den Lebensweg von Joseph Reisinger.

Reisinger war im Alter von 20 Jahren erblindet und hatte sich seit 8 Jahren mutlos in sein Schicksal gefügt. Dann schenkte ihm ein mitleidiger Fleischergeselle einen jungen Spitz und forderte ihn auf, dass er sich diesen abrichte, um die Kosten für den Geleitsmann zu sparen. Beer schlussfolgerte, dass der Fleischergeselle „etwas von dem Quince-vingt gehört? welche fast durchaus von wohlabgerichteten Hunden in dem weitläufigen Paris geleitet werden.“

Das Hôpital des Quinze-Vingts für Blinde in Paris wurde der Legende nach 1260 von Ludwig dem Heiligen für dreihundert geblendete Kreuzritter gegründet. Bis heute zählt es zu einem Vorreiter in der Augenheilkunde.

Georg Joseph Beer beschreibt weiter die erfolgreiche Ausbildung des Spitzes zum Führhund und welche Schwierigkeiten der junge Mann dabei überwand. Insgesamt 16 Jahre führte der Spitz seinen Herrn, welcher sich bereits ein paar Jahre zuvor einen neuen Hund, diesmal einen Pudel, zugelegt hatte. „Die Ausbildung seines zweiten Geleiters fiel ihm aus doppeltem Grunde um so leichter, als die des erstern, den er benutzte jetzt schon sorgfältig seine Erfahrung“  beschreibt Beer den weiteren Verlauf.

Als dieser Pudel unverhofft stirbt, trainiert der Blinde einen dritten Hund und Josef Beer schließt das Kapitel mit den Worten: „ein offenbarer Beweis, wie sehr dieser Blinde seine Unterrichtsmethode verbessert, und ins Reine gebracht haben muß“. (6)

1819 Innovationen aus Wien

Johann Wilhelm Klein, Leiter der Wiener Blindenanstalt, greift im Jahre 1819 die Idee von Führhunden in seinem „Lehrbuch zum Unterrichte der Blinden“ auf und empfiehlt hierfür den Gebrauch einer starrer Führeinrichtung in Form eines Stabes für eine sensible Verbindung zu den Bewegungen des Hundes.

„Dann nimmt der Blinde den Hund selbst an die Hand und geht mit ihm anfänglich auf solchen Wegen, welche ihm vorher genau bekannt sind, um sich an die Bewegungen und Kennzeichen des Thieres zu gewöhnen.“

Eine weitere Innovation gründet auf die Empfehlung Kleins: „Das Abrichten des Hundes sollte, wenigstens anfänglich, durch einen Sehenden geschehen.“ (7)

Frontalansicht eines mannes mit Hut, er halt einen Stock vor sich. neben ihm sitzt ein kleiner Hund.
Zeichnung von Jacques Callot, Frankreich, 1622
Seite aus dem Buch “Lehrbuch zum Unterrichte der Blinden”
Aus dem Lehrbuch zum Unterrichte der Blinden.

1847 Jakob Birrer: Anleitung zur Selbstausbildung eines Führhundes

Mitte des 19. Jahrhundert berichtete der Lehrer Heinrich Nägli aus der Schweiz über seinen Landsmann Jakob Birrer, welcher in seinem vierten Lebensjahre an den Kinderblattern gänzlich erblindet war.

Im Buch „Erinnerungen, merkwürdige Lebensfahrten und besondere Ansichten des Jakob Birrer von Luthern“ gibt er eine Anleitung zur Selbstausbildung eines Führhundes. Dieses Anleitung richtet sich an seine Leidensgenossen: „Ich fühle mich daher verpflichtet, meinen blinden Mitkollegen, die sich allenfalls von Hunden leiten lassen wollen, eine Anleitung zur Dressur derselben zu ertheilen, welche hauptsächlich auf meinen eigenen praktischen Erfahrungen beruht.“

Und wie bei Joseph Reisinger aus Wien waren es die französischen Pioniere des Hôpital des Quinze-Vingts, von wo Birrer seine Informationen hatte: „Schon vor circa 4-5 Jahren hörte ich, daß in Paris mancher Blinde einen Pudel zum Führer habe, was mir aber nicht glaubwürdig schien.“

Nachdem er die Idee für sich erst kategorisch ausschloss, begann er nach ein paar Jahre doch mit einem Spitz das Training aufzunehmen. In seinem Buch erklärt er in sechs Punkten, wie ein Hund zu trainieren sei. Das Alter sollte zwischen zehn und sechzehn Monaten liegen und, um Verlegenheiten auszuweichen, empfahl Birrer Rüden. Eine Warnung zum Schluss gilt der Erziehungsmethode:

„Keiner glaube jedoch, er mag sich Hunde von dieser oder jener Race halten, dieselben nur durch Prügel abrichten zu wollen; sofern jeder Zuchtmeister mache es sich zur Pflicht, sein Thier, wenn es ihn durch seine Dienstleistungen befriedigt hat, auch durch Liebkosungen zu seinem treuen Anhänger zu machen, und ihm dann und wann einige gute Lebensmittel zukommen zu lassen; denn nur so erwacht in demselben Wille und Folgsamkeit gegen seinem Gebieter, und es wird ihm bis zum Tode mit zärtlicher Anhänglichkeit dienen.“ (8)

Jakob Birrer und sein Spitz in Seitenansicht.
Jakob Birrer und sein Spitz.

1878 Offizielle Anerkennung von Führhunden

Das britische Parlament befreit Hunde von Schäfern und solche, die von Blinden als Führer gehalten werden, von den Steuern.

1916 Eröffnung der ersten Blindenführhundschule der Welt

Um die Jahrhundertwende war in Deutschland die Ausbildung und der Einsatz von Sanitätshunden, um Verwundeten auf dem Schlachtfeld zu helfen, bereits weit gediehen und wurde vom Sanitätshundeverband vom Deutsche Roten Kreuz realisiert.

Der Vorsitzender des „Deutschen Vereins für Sanitätshunde“ Dr. Gerhard Stalling führte bereits Versuche mit diesen Hunden durch, um sie für erblindete Veteranen zu nutzen.

Die vielen jungen Blinden in Folge des 1. Weltkrieges steigerten das Interesse an Führhunden. Betroffene 37 Kriegsblinde aus den Berliner Lazaretten gründeten am 5. März 1916 den Bund erblindeter Krieger. Der Bund macht es sich zur Aufgabe, für die 3.500 Kriegsblinden, die nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland leben, eine angemessene materielle Versorgung und gesellschaftliche Anerkennung zu erstreiten. (9)

In Folge gründete Dr. Gerhard Stalling, mit weiterer Unterstützung des Kriegsministeriums, die erste Blindenführhundschule der Welt in Oldenburg.

Bereits im Jahresbericht 1917 verweist der Bund auf die erfolgreiche Ausbildung von acht Führhunden in Oldenburg. (10)
Durch die veränderte Kriegslage ab Anfang 1918 begann die Reduzierung der Sanitätshundetruppe. Überzählige Tiere sollten, soweit man sie nicht andernorts benötigte, dem Verein zurückgegeben werden, um sie zu Führhunden für Kriegsblinde um zu trainieren. (11)

Die Dauer der Ausbildung betrug ein halbes Jahr. Eine Einarbeitung der Kriegsblinden von vier bis sechs Wochen fand in der Führhundschule statt, danach wurde das Gespann am Heimatort unterwiesen. Zum Ende hatte das Gespann eine Prüfung vor einer Kommission zu bestehen. Die kostenlose Abgabe erfolgte zunächst nur an Kriegsblinde.

Innerhalb eines Jahres wurden 86 Blindenhunde ausgebildet und übergeben und bis 1919 waren bereits 539 Blindenhunde an Kriegsblinde übergeben worden.Ab 1922 begann auch die Versorgung für die Zivilbevölkerung, auch Blinde in England, Frankreich, Spanien, Italien, Amerika, Kanada und Russland wurden mit Führhunden versorgt. (12)

Nach anfänglicher Expansion mit Filialen in Bonn, Breslau, Dresden, Essen, Freiburg, Hamburg, Magdeburg, Münster und Hannover musste die Führhundschule aus wirtschaftlichen Gründen ihre Pforten im Jahr 1931 dauerhaft schließen. Dem vorausgegangen waren Querelen mit dem Bund der Kriegsblinden sowie eine Ablehnung der Genehmigung, weiter Geldspenden zu sammeln. (13)

Ein Hinweis im Jahresbericht vom Bund erblindeter Krieger e.V. vom Januar 1917 über die erfolgreiche Ausbildung von acht Führhunden durch die Oldenburger Schule.
Jahresbericht von 1917 vom Bund erblindeter Krieger e.V.
Die Aufteilung ist horizontal in drei Spalten. Rchts und links jeweils die Wertstellung, mittig die Silhouette eines stehenden Mannes mit Blindenführhund, im Hintergrund eine Kutsche.
Rückseite Notgeldschein: Ein sicherer Führer
Rechts und links zwei umrandete Kästen mit dem Wert (50 Pfennig), mittig die Überschrift “Deutscher Führhund für Kriegsblinde”. Im Mittelteil des Scheins das frontale Portrait eines Schäferhundes mit einem roten Kreuz vor der Brust, eingerahmt von zwei Szenen Blinder mit Hund (sitzend und laufend) als Silhouette. Im unteren Drittel stehen die Bedingungen, unter welchen das Notgeld eingetauscht werden kann.
Vorderseite Notgeldschein 50 Pfennig Deutscher Führhund für Kriegsblinde, Oldenburg, 1921
Die Aufteilung der Rückseite ist horizontal in drei Spalten. Rchts und links jeweils die Wertstellung, mittig die Silhouette eines laufenden Mannes mit Blindenführhund in einer städtischen Umgebung.
Rückseite Notgeldschein: Ein Führer zur Arbeit fürs tägliche Brot.

1927 Vereinheitlichung der Ausbildung in Deutschland

Im Jahr 1923 gründete in Potsdam der Verein für Deutsche Schäferhunde im Auftrag des Reichsarbeitsministerium eine weitere Führhundschule.

Erblindete Veteranen wurden fortan in Potsdam betreut. Hier formalisierte man erstmalig die Trainingsmethoden für alle Führhundschulen Deutschlands, die bis heute in guten Blindenhundeschulen üblich sind:

Zucht und Auswahl geeigneter Hunde, sorgfältige Ausbildung und Eignungsprüfung, zueinander passendes Gespann wählen und Nachbereitung in der häuslichen Umgebung.

Bis 1941 wurden mehr als 2.500 Hunde von der Potsdamer Führhundschule ausgebildet. Nur 6 Prozent mussten zurückgenommen werden. (14)

Dem Erfolg der Führhunde wird Rechnung getragen und die Ausbildung wird standarisiert.
Die Ausbildung wird standarisiert.

Von Potsdam in die Welt

Dorothy Eustis, eine Amerikanerin, die in der Schweiz deutsche Schäferhunde züchtete, hospitierte mehrere Monate in der Potsdamer Schule, um die Methodik zu studieren. Sie war so beeindruckt, dass sie einen Bericht mit dem Titel „The seeing eye“ an die „Saturday Evening Post“ schickte, welcher im November 1927 veröffentlicht wurde. Die „Saturday Evening Post“ war seinerzeit die auflagenstärkste Publikumszeitschrift der USA. (15)

Internationale Aufbruchstimmung

1928 eröffnete Frau Eustis in der Schweiz eine Ausbildungsstätte für Führhundtrainer, welche wiederum in ihren Heimatländern Schulen eröffneten. In der Folge eröffneten die ausgebildeten Trainer Schulen, so unter anderem Captain Nikolai Liakhoff in Großbritannien, Paul Corteville in Frankreich und Frank Morris in den USA.

Links im Foto ist eine Kutsche, rechts steht ein wartender Mann mit sitzendem Hund neben sich, um die Kopfsteinpflasterstrasse zu überqueren.
Führhund-Training auf einer Strasse in Potsdam.

Nachkriegszeit: BRD

Nach dem Krieg organisierte sich in Westdeutschland die Führhundausbildung privatwirtschaftlich und über das Deutsche Rote Kreuz. Der Druck der Krankenkassen, Kosten zu sparen, schlug auf die Qualität der Ausbildung nieder.

Aber auch die wohnlichen Umstände machten es Blinden zunehmend schwer, einen Führhund halten zu können. Amtsgerichtsrat Dr. Peter Plein, 1. Vorsitzender des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands e. V. im Januar 1951:

„Wenn auch die Frage der Kriegsblinden Führhunde nach diesem Kriege deshalb nicht mehr die Bedeutung hat wie nach dem ersten Weltkrieg, weil die Kameraden des ersten Weltkrieges infolge fortgeschrittenen Alters, die Kameraden des zweiten Weltkriegesnfolge der zahlreichen zu der Erblindung hinzugekommenen anderweitigen Verletzungen und Gesundheitsstörungen und eine ganz große Zahl von kriegsblinden Kameraden infolge der außerordentlich verschlechterten Wohnungsbedingungen keinen Führhund mehr halten können, so haben wir doch mit allen Kräften uns bemüht, dafür zu sorgen, daß die Ausbildung der Führhunde weitestgehend verbessert wurde und genügend Führhunde ausgebildet werden.“ (16)

Das Titelbild zeigt einen großen Übungsplatz mit sehr vielen dünnen Fichten. In der Mitte trainiert ein Mann mit einem Hund.
Titelbild von “Der Kriegsblinde”, 1951

Voran zum blauen Zebra

Trotz der widrigen Umstände gab es auch Innovation und besondere Erwähnung fand in den 1950ern die Führhundschule aus Oftersheim (Baden) des Roten Kreuzes in der Zeitschrift der Kriegsblinden.

„Erst 4 Wochen sollten diese Hunde arbeiten? Wenn wir nicht gewüßt hätten, daß diese Hunde erst um diese Zeit von den uns bekannten Besitzern geschickt worden waren, wären bestimmt Zweifel aufgekommen.

Die Abrichtung dauert 12 Wochen; nun sind erst 4 Wochen dieser Zeit vorüber. Das gibt Führhunde! Nicht allein die von den Hunden gezeigten, in dieser Präzision noch nie gesehenen Arbeiten überraschten, sondern vor allem auch die Methode der Abrichtung.

Kein lautes, scharfes Wort! Hat der Hund einmal seine Sache nicht richtig gemacht, so erhält er ein leises, beinahe zärtlich klingendes „Nein, nein!“. Daraufhin wurde die Aufgabe mehrmals wiederholt. Klappte es immer noch nicht, dann wurde es auf andere Weise versucht, dem Hund die Lösung der Aufgabe klarzumachen, und plötzlich ging es, und wie! Dafür ein kurzes Loben. Mit Ruhe ging es dann zur nächsten Aufgabe.

Es ist nicht zuviel gesagt, wenn ich behaupte, daß es für mich fast so etwas wie eine Weihestunde war, einen derartig vernünftigen Umgang bei der Abrichtung von Führhunden zu erleben.“ (17)

Im Artikel ist ein Foto zu sehen auf welchem ein Mann mit Schäferhund vor einem Lattenzaun steht.
Originalartikel "Auf zum blauen Zebra". © Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V.

Noch 1977 lehnte das Bundessozialgerichts (BSG) einen Blindenführhund als Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung ab.

Erst im Jahr 1981 ergeht ein neues Urteil: mit dieser Entscheidung erkennt das Bundessozialgericht einen Blindenführhund als Hilfsmittel mit der Begründung, dass der Hund dem Blinden Orientierung gebe und damit das Grundbedürfnis auf Mobilität ermöglicht. Damit entfallen seine Kosten auf den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenkasse. (18)

Nachkriegszeit: DDR

Bereits 1946 eröffnete der von Blindheit selbst Betroffene Johannes Herper in Erfurt die erste Blindenführhundschule der Ostzone. Die Schule erhielt Hunde von der Polizei, die für den Polizeidienst nicht geeignet waren. Im Training zum Blindenführhund arbeitet der Ausbilder in Karlshorst „mit Lust und Liebe und Gut — er kennt weder Peitsche noch Stachelhalsband — an der Ausbildung der Tiere“. (19)

Das Magistrat von Berlin beschließt die Krankenleistungen für Schwerbeschädigte.Integration in den Arbeitsmarkt ist das Ziel, die Hilfe diente dazu, „sich selbst aus eigener Kraft ein normales Einkommen zu erarbeiten und als wertvolle Glieder unserer Gesellschaft seinen Teil zur Normalisierung unseres Lebens beizutragen.”

Nicht nur Kriegsbeschädigte erhielten Leistungen, auch Zivilbeschädigte wurden vom Magistrat versorgt, wenn kein Versicherungsanspruch vorlag und außer der Erwerbsunfähigkeit auch Hilfsbedürftigkeit bestand. In den Leistungen enthalten waren Führhunde für Blinde bei Eignung, sowie ein Pauschalbetrag für deren Unterhalt. (20)

Die Potsdamer Blindenführhundschule wurde im Jahr 1952 zwangsenteignet.
Im Mai 1957 wurde der Allgemeine Deutsche Blindenverband (ADBV) gegründet. Anders als in der Bundesrepublik vertrat man hier alle Blinden und Sehbehin­derten, unabhängig von der Ursache. An die Stelle der Potsdamer Schule trat die Ausbildungsstätten in Berlin-Karlshorst (ab 1959).

Zu Beginn der 70er Jahre musste der Verband noch über einen Appell Hunde bei der Bevölkerung erbitten; gefragt waren Schäferhunde, Rottweiler, Riesenschnauzer und Airedale Terrier. Die Berliner Zeitung berichtete am 29. April 1960 über 40 Hunde, welche die Berliner Bevölkerung zur Verfügung gestellt hatte. Von diesen wurden 25 ausgewählt und in einer dreiwöchigen Probezeit auf Eignung geprüft.

Im Januar 1963 trainierten bereits ein Leiter und drei Mitarbeiter Führhunde in Karlshorst. und im Jahr 1976 konnten schon bis zu 40 Hunde zeitgleich aufgenommen werden, die Ausbildung dauerte drei Monate, gefolgt von einer 10 tägigen Einarbeitungszeit der Blinden. (21)

Das Foto zeigt den Rohbau einer neuen Halle.
Eine weitere Übersicht der Baustelle in Berlin-Hirschgarten.
Auf dem Foto steht der Rohbau eines weiteren Gebäudes.
Die Baustelle in Berlin-Hirschgarten, 1987.

1987 Mobilitätszentrums in Berlin-Hirschgarten

Da das Gelände in Karlshorst geräumt werden musste, begann im Jahr 1986 der Bau eines Mobilitätszentrums in Berlin-Hirschgarten. Nach nur eineinhalb Jahren Bauzeit konnte eröffnet werden. Es handelte sich dabei um eine moderne, kombinierte Einrichtung mit:

  • Orientierungs- und Mobilitätstraining (Hilfe zur Selbsthilfe außerhalb des Privatbereiches)
  • Lebenspraktische Fertigkeiten (Hilfe zur Selbsthilfe innerhalb des Privatbereiches, z.B. Wäsche waschen, Haushaltsführung, Umgang mit technischen Geräten)
  • sowie der Führhundschule mit Trainingsgelände

Trotz großem Erfolges und vieler Innovationen musste das Zentrum im Jahr 2001 die Arbeit einstellen.

Eine Außenaufnahme bei Sonnenschein.
Das Trainingsgelände des Mobilitätszentrums.

Im Jahr 1986 begannen Roswitha Krüger und Mario Fiedler, der spätere Gründer der Stiftung Deutsche Schule für Blindenführhunde, ihre Ausbildung zum Führhundtrainer im Mobilitätszentrum Berlin-Hirschgarten.

Lesen Sie hier weiter über die Historie der Stiftung Deutsche Schule für Blindenführhunde.

Quellen:

  1. Günter Nobis, Die Wildsäugetiere in der Umwelt des Menschen von Oberkassel bei Bonn und das Domestikationsproblem von Wölfen im Jungpaläolithikum, 1986.
  2. Amedeo Maiuri, Roman Painting, Skira Publishing, Mailand, 1953.
  3. The British Library
  4. Konrad von Megenberg: Das Buch der Natur, 1861.
  5. Otto Winckelmann: Das Fürsorgewesen der Stadt Strassburg, 1922.
  6. Georg Joseph Beer: Das Auge, 1813.
  7. Johann Wilhelm Klein: Lehrbuch zum Unterrichte der Blinden, 1819.
  8. Heinrich Nägeli: Erinnerungen, merkwürdige Lebensfahrten und besondere Ansichten des Jakob Birrer von Luthern, 1844.
  9. www.kriegsblindenbund.de
  10. „Dreissig Bänder der Kriegsblinde“ in: Zeitschrift für Verständnis und Verständigung, 1950.
  11. J. Lorenz: „Such verwundt! – Das Sanitätshundewesen in Deutschland. bis 1918“, www.wehrmed.de.
  12. Silvana Calabrò: Der Blindenführhund, Aspekte einer besonderen Mensch-Tier-Beziehung in Geschichte und Gegenwart, Gießen, 1998.
  13. I. HA Rep. 191, Nr. 4413: Staatskommissar für die Regelung der Wohlfahrtspflege in Preußen, 03 Sammelzwecke und Zielgruppen (1891 – 1930), 03.18 Nutztiere (1915 – 1930), 1925 – 1926.
  14. Deutsche Zeitschrift für Wohlfahrtspflege, 3. Jhg., Nr. 9, 1927.
  15. Jeff Nilsson, Andy Hollandbeck and Dorothy Harrison Eustis: The Post Article That Launched the Seeing Eye Program, The Saturday evening Post, 14. April 2016, www.saturdayeveningpost.com.
  16. Zeitschrift für Verständnis und Verständigung, Nr. 5, 1951.
  17. „Voran zum blauen Zebra“ Neue Wege zur Abrichtung von Führhunden, in: Der Kriegsblinde, Nr. 6, Bielefeld, 1951.
  18. www.dbsv.org/historisches.html
  19. Such Eingang”, in: Neues Deutschland, 27.08.1946.
  20. Krankenleistungen für Schwerbeschädigte”, Berliner Zeitung, 24.02.1950.
  21. Berliner Zeitung, 01.01.1963 sowie Neues Deutschland, 24.07.1976.