In meiner warmen Küche sitze ich und höre eine dänische Morgenandacht im Radio, es gibt mir Zuversicht in dieser Osterzeit, die durch die Corona-Pandemie so anders ist. Auf meinen Füßen liegt meine Blindenführhündin Thaja, sie atmet ruhig und tief und um Thaja soll dieser kleine Bericht gehen, denn wir sind heute, seit genau 5 Monaten mit einander zusammen.

Ich bin sofort tief berührt und es kommen einige Tränen vor Freude und Dankbarkeit und ein so großes Gefühl eines Neubeginns in mir auf, wenn ich an meine Thaja denke. Die Wärme da auf den Füßen, dieses Wesen bei mir bringt mein Leben in neue Bahnen. Ein neuer Rhythmus. Eine neue Melodie spielt in mir, seit Thaja an Meiner Seite ist. Ein so schönes Geben und Nehmen, ein so schönes Sorgen umeinander, und für uns Beide so viel Neues kennenlernen.
Ich lerne noch viel über meine helle Labrador-Retrieverin, Sie ist fast überall mit, wo ich bin und das heißt erst mal alle Wege kennenlernen, wo wir hinwollen. Und somit habe ich meinen Radius innerhalb Leipzigs extrem erweitert. Außer dem Weg zum Arbeitsplatz und zu den Einkaufsmöglichkeiten, Sportzentrum, Tanzschule und so weiter, haben wir Parks zum Gassigehen und Freilauf gefunden. Denn wir wollen ja in die Natur, um den Frühling zu schnuppern und zu hören und zu schmecken.
Den Weg zum Fockeberg haben wir zu Fuß gelernt. Wir können mittlerweile mehrere Wege dorthin. Und Thaja zeigt mir immer die Tierarztpraxis und das Restaurant „Maitre“ an. Es ist ein gutes Training und ein guter Freilauf für uns. Thaja bleibt meistens in meiner hörbaren Nähe mit der kleinen Glocke um ihren Hals höre ich auch welches Tempo sie hat und wenn es verdächtig still ist, schnuppert sie unendlich lang an Pflanzen, Bäumen, Steinen oder sie ist tatsächlich in den Wald eingetaucht und hat Spuren von anderen Tieren gefunden. Wenn ich Glück habe, hat sie sich nicht gewälzt oder unterwegs etwas gegessen, und kommt wenn ich nach ihr pfeife oder sie abrufe. Meistens kommt Sie entspannt zurück, selten anders und dies ist aber dann mit sehr viel Geruch und „Putzarbeit“ verbunden. Thaja weiß sehr genau dass ich es nicht mag wenn Sie unterwegs etwas aufsammelt und frisst oder sich parfümiert. Allerdings gibt es einen Hundesalon auf der nächsten Ecke mit Abhol,- und Bringservice“ und nachdem ich das erste Mal mit ihr dort war und weiß, dass Thaja es auch genießt dort zu sein und ich sie danach auch wieder genießen kann, gebe ich sie gerne dorthin.
Als sie einmal in ein tieferes Wasserloch auf der Hundewiese sprang, um allen anderen Hunden zu zeigen wie toll es ist im Februar zu baden ist, konnte ich von der Hundewiese aus den Hundesalon anrufen und so konnten wir auf der Straße Übergabe machen. Nun passe ich gut auf wo wir hingehen und habe immer eine Küchenrolle im Rucksack. Der Hundesalon ist nämlich auch momentan geschlossen auf Grund von Corona.
Mittlerweile trainieren wir an einem Badesee: so lang ich in Leipzig lebe, habe ich mir gewünscht, auch mal alleine baden zu gehen. Es gibt einen barrierefreien Weg am Ufer entlang. Einen kilometerlangen Holzsteg für Fußgänger und Rollstühle. Und wir kennen die Haltestelle davor und die Worte: „Steg, Stein, Liege und Wasser“. Natürlich ist die Liege am Hundestrand und es ist schon beschlossene Sache, dass wir morgens und vormittags hingehen, da ist es nicht so voll und wir werden viel Badespaß haben. Thaja badet jetzt schon so fleißig und findet es auch gut, wenn ich meine Füße ins Wasser stecke. Den Urlaub, den ich nach Fuerte Ventura für mich und Thaja gebucht hatte – mit Sitzplatz für „Prinzessin Thaja“ neben mir im Flieger – werden wir hoffentlich nach Corona nachholen.

Ich möchte hier nicht Alles verschönern: manchmal bockt meine Thaja auch, wenn wir zum Beispiel zurück vom Badesee wollen oder sie einen anderen Weg lieber gehen will, als ich. Auch frisst sie gerne, was herumliegt unter Parkbänken oder in Büschen, oder führt mich zu Picknickdecken, wo man gerade Wurstbrote verspeist.
Eine ihrer Vorlieben ist übrigens immer noch, schräg über Straßen zu laufen oder kleine Kringel zu machen, so dass ich schön flach auf den Bürgersteig komme. Und wenn Autos auf den Straßen parken, läuft Sie gerne mitten auf den Weg um Sie herum. Thaja ist eine begnadete Choreografin und sie ist dabei so entspannt, dass ich anfangs ihre Kunst des „spazieren-schnupperns“ öfter nicht gemerkt habe, bis Autofahrer freundlich ihre Fenster herunterließen. Man sagte mir, dass ich mitten auf der Straße laufe und links von uns der Bürgersteig sei. Thajas Laufsteg!
Nicht alles kann ich immer mit Humor nehmen, aber ich übe mich darin! Mittlerweile verstehe ich immer besser, wie sie tickt. Was sie warum macht. Und ich merke: Thaja weiß, dass das Führen kein Spiel ist. Sie führt mich wirklich großartig um all die Dinge, die sich täglich in einer großen Stadt verschieben. Da Thaja ein süßer aufgeweckter Hund ist und wir beide sehr sozial und neugierig sind, haben wir auch viele gute Begegnungen. Mein Leben ist noch sozialer mit ihr an meiner Seite.
Es fühlt sich gar nicht so lange her an, als ich Anfang November 2019 eine Woche mit unserem Trainer Joan Claude am Müggelsee verbrachte. Ich denke gerne daran zurück, ich habe in meinem Leben noch nie so viel Vertrauen gebraucht, als in dieser Zeit. Nicht zu wissen wo man ist und sich von einem richtig ausgebildeten Hund führen zu lassen.
Ob in S-Bahnhöfen, am Markt, durch Köpenick, über Brücken, am Ufer in Straßen, um Baustellen und im Hotel. Nach 20 Jahren mit dem Blindenlangstock alleine zu laufen, war das eine riesige Umstellung für mich. Es war unglaublich lehrreich zu merken, wie gefordert ich war und was Thaja alles schon kann. Ich wollte mein Bestes geben, damit Thaja so tüchtig bleibt.
Die „Familie“ der Blindenführhundeschule in Berlin – Mario, Sascha, Juliane und Joan Claude – war eng um mich und ich konnte so viel erleben und fragen und habe mich wirklich gut unterstützt gefühlt. Wenn ich nun Fragen habe weiß ich, dass ich Joan Claude anrufen darf und jederzeit guten Rat und Hilfe bekomme. Das ist eine tolle Absicherung.

Besonders ist mir Mario und die Gespräche mit ihm in Erinnerung geblieben, auch am Tag der Gespannprüfung hatte ich langen Kontakt mit Ihm und ging so viel sicherer in die Prüfung hinein. Es ist Mario Fiedler zu verdanken, dass so viele von uns Blinden in der glücklichen Situation sind gut ausgebildete Blindenführhunde an unserer Seite zu haben. Auch für mich ist es sehr schmerzlich gewesen, von seinem Tod im März zu erfahren. Er war ein so leuchtender und warmherziger Mensch und ich schreibe diese Erfahrungen, weil ich es ihm im Januar so versprochen hatte.
Möge die Stiftung der deutschen Blindenführhundeschule gut weitergeführt werden.
Was ich dazu beitragen kann, tue ich jederzeit herzlich gern!
Liebe Grüße von mir und meiner Berlinerschnauze
Pernille Sonne mit Thaja