Mein Blindenführhundhalter

Mein Name ist Twix, ich bin ein fast zweieinhalb Jahre alter Labrador-Rüde und durchlebte – wie alle anderen Führhunde der Stiftung auch – die Welpenschule, die Patenfamilie, kam anschließend zum Trainer nach Hause, um mich auf den Ernst meines Lebens vorbereitet zu werden.

Im Mai 2019 konnte ich erstmals meinen Anwärter namens Michael beschnuppern und beim gemeinsamen Abschlussgespräch waren sich alle einig, dass er und ich ein Team werden könnten. Ich befand mich noch Mitten in meiner Ausbildung, daher musste sich mein Anwärter, für den ich übrigens sein erster Führhund werde soll, noch ein paar Monate gedulden. Da er mich kaum erwarten konnte, hatte der arme Kerl doch tatsächlich bis zu unserem Wiedersehen im September 2019 zuerst die Wochen und dann die Tage gezählt.

Zu Beginn unserer Einarbeitung waren wir beide aufgeregt und froh, dass es endlich los ging. Vieles war neu für mich, die Menschen, mit denen ich nun zusammenlebte, die Wege, die für Michael eine wiedergewonnene Mobilität bedeuteten, die anderen Hunde, die wir unterwegs trafen, einfach spannend. Die ersten gemeinsamen Einheiten im Führgeschirr waren für meinen neuen Halter eine Herausforderung, da er sich auf so vieles gleichzeitig konzentrieren musste und dabei noch den Worten meines Trainers lauschte.

Meine Lockerheit verschwand erst, als sich mein Trainer, der bis dahin meine Bezugsperson war, sich nach und nach zurückzog und er eines Tages gar nicht mehr kam. Zu diesem Zeitpunkt war ich eine Weile traurig, aber Michael gab sich echt Mühe, kümmerte sich rührend mit Freilauf, Spielen und natürlich Fressen um mich.

Trainerlos war die Führarbeit schon anders als gewohnt, weil Michael und ich gegenseitig aufeinander aufgepasst haben und das Vertrauen noch im Aufbau war. Michael hat nämlich eine andere Körper- und Ansprache als mein Trainer, so dass mir zu dieser Zeit nicht immer klar war, was er von mir wollte. Als Beispiel stiegen wir in einen Zug und suchten einen Sitzplatz, da sagte Michael „such Platz“ statt „such Bank“. Ich verdrehte innerlich die Augen und dachte nur, „typisch Anfänger“.

Durch regelmäßigen Kontakt zu meinem Trainer bekommt Michael wichtige Informationen, wenn etwas nicht so gelaufen ist, wie es sollte. Dazu zählen auch der Umgang der Situationen, in denen der Lausbub in mir mit mir durchgegangen ist, ich seine Sehbehinderung ausnutzte, seine Geduld strapazierte und Grenzen überschritt.

Mit mir ist Michael bei jedem Wetter an der frischen Luft und das viele Laufen hat seine überflüssigen Pfunde verschwinden lassen. Schwierig ist für ihn, dass ich mit meiner Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt bin, während er schon mal über Vergangenes grübelt oder sich um Zukünftiges sorgt. Ich glaube, dass ich eine wertvolle Hilfe für ihn bin und er durch mich mehr Gelassenheit lernen wird, besonders im Strassenverkehr, wo schon mal über Nacht Baustellen entstehen und unachtsame Mitmenschen ihre E-Roller kreuz und quer im Wege stehen lassen.

Inzwischen wiederholen sich im Alltag viele Situationen, es kommt Routine in die Abläufe, wir sammeln Erfahrungen und wissen nun, was wir wirklich voneinander erwarten können.

In unserem jungen Team sind Vertrauen, Geduld und Gelassenheit immer mehr zu erkennen. Wir befinden uns auf einen guten Weg ein harmonisches und homogenes Team zu werden.

Twix und Blindenführhundhalter Michael Gräfen

P. S.
Labradore – wie ich einer bin – sind bei Frauchen von Michael nicht die erste Wahl, aber mit meinem Blick und Charme, habe ich auch ihr Herz erobert und sie um meine Pfote gewickelt.